10. Januar 2024

Call for Paper Kriegsgefangenschaft

Visualisierung von Kriegsgefangenschaft – Performativität, Versöhnung, Unversöhnlichkeit
Tagung: 10.-11. Oktober 2024 an der Universität Bonn
Veranstaltet von: Esther Gardei, Marion Gymnich, Benet Lehmann, Hans-Georg Soeffner

 
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine unterstreicht die Aktualität des Themas Kriegsgefangenschaft und die Bedeutung, die ihrer medialen Repräsentation zukommt. Gegenstand der Tagung sind Visualisierungen von Kriegsgefangenschaft im 20. und 21. Jahrhundert. Verbinden lassen sich visuelle Darstellungen von Kriegsgefangenschaft über verschiedene Zeiten, Regionen und Medien hinweg durch gemeinsame Fragestellungen. Wie verhalten sich visuelle Darstellungen von Kriegsgefangenen zur Aussicht auf Versöhnung? Wie wird die Rolle der Kriegsgefangenen visuell inszeniert? Einerseits sind sie zu einer gewissen Passivität verurteilt, befinden sie sich doch in einem starken asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnis; andererseits sollen sich oft selbst verwalten. Wie wird die Frage nach Schuld berücksichtigt? Kriegsgefangene waren möglicherweise an Kriegsverbrechen beteiligt und damit Täter; in der Gefangenschaft können sie allerdings zu Opfern werden. Ist es möglich, eine solche Doppelrolle – je nach historischem und kulturellem Kontext – über die Darstellung von Kriegsgefangenen aus unterschiedlichen Perspektiven zu identifizieren? Lässt sich ein Perspektivwechsel in diesem Kontext im Sinne einer strukturellen Voraussetzung für „Versöhnung“ fassen (vgl. zum „Perspektivwechsel“ als struktureller Voraussetzung für Versöhnung Gardei, Schulz, Soeffner 2023)? „Versöhnung“ begreifen wir als eine Utopie und verstehen darunter die Umwandlung von Zuständen des Krieges und der Feindschaft in freie Anerkennungsverhältnisse (Soeffner 2023), die Charakteristika des Vertrauens und der Freundschaft aufweisen (Pfeil 2022, 18).

Kriegsgefangenschaft lässt sich als performative Praxis untersuchen, deren historische und kulturelle Kontexte berücksichtigt werden müssen. So sind Fotografien von Kriegsgefangenen oft als Propaganda eingesetzt und dafür teilweise sogar bewusst arrangiert worden. Neben der Intention gilt es, auch weitere Aspekte bei der Interpretation der visuellen Darstellung von Kriegsgefangenschaft zu berücksichtigen, etwa die subkutanen Botschaften der Gesichter der fotografierten Akteur*innen oder auch die Anordnung von Objekten.
Die Erforschung dieses reichhaltigen Materials auf sein Potential für das Verständnis von „Versöhnlichkeit“ und „Unversöhnlichkeit“ stellt bisher eine Forschungslücke dar. Die Tagung lädt zu Fallstudien ein, die konkretes Bildmaterial vorstellen und deuten, aber auch zu methodologischen und methodischen Vorträgen aus Bereichen wie der fotographischen Ethnographie, Bildhermeneutik, Theorien der Visuellen Soziologie, Visual History, Fotoforschung und der Funktionen der Visualisierung von Geschichte. Wir möchten Forschenden und Kulturschaffenden die Chance bieten, Forschungsarbeiten, themenbezogene Praxisprojekte sowie experimentelle Formate zu präsentieren und zu diskutieren. Auch Masterstudierende und Promovierende ermuntern wir zum Einreichen von Abstracts. Alle Vorträge sollen konkretes Bildmaterial vorstellen. Die Tagung findet in deutscher und englischer Sprache statt.
Diskutiert werden könnten in den Vorträgen Fragestellungen wie die folgenden: Wie zeigt sich der Kriegsgefangenenstatus auf den Bildern? Welche Unterschiede im Umgang mit Kriegsgefangenen lassen sich feststellen? Wer waren die Fotograf*innen, Künstler*innen oder Filmemacher*innen, und in wessen Auftrag entstanden die Quellen? Welche Zielsetzungen lassen sich erkennen (z.B. Dokumentation, Selbstrechtfertigung, Manipulation, Propaganda)? Welchen wissenschaftlichen Status haben die Fotografien im Hinblick auf die Rekonstruktion der Geschichte des jeweiligen Krieges und/oder der Nachkriegszeit? Inwiefern können Fotografien Unversöhnlichkeit oder Versöhnung anbahnen?
Wir bitten um die Einreichung von Abstracts bis zum 2. Mai 2024. Das Abstract bitte als PDF-Dokument an vforum@uni-bonn.de schicken. Der Vortrag sollte eine Länge von 20 Minuten nicht überschreiten.


Für den Workshop erheben wir keine Teilnahmegebühr. Reisekosten und Honorare werden für die Referent*innen übernommen.
Die Tagung ist angesiedelt im Bereich der interdisziplinären Versöhnungsforschung des Bonner Zentrums für Versöhnungsforschung (BZV), in Kooperation mit dem Exzellenzcluster ‚Beyond Slavery and Freedom: Asymmetrical Dependencies in Pre-Modern Societies‘.

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