Bonner Zentrum für Versöhnungsforschung

Versöhnungsforschung

Klimawandel, Populismus, Digitalisierung, Covid-19, die Zunahme autoritärer Tendenzen und Shrinking Spaces sowie die Ausweitung bewaffneter Konflikte und massiver Menschenrechtsverletzungen und die Diskriminierung sowie Marginalisierung benachteiligter Gruppen in verschiedenen Regionen der Welt machen die Frage nach der (Un-)Möglichkeit von Versöhnung zu einem der relevantesten Themen unserer Zeit.  

Das Bonner Zentrum für Versöhnungsforschung (BZV) beschäftigt sich mit der herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung von Versöhnung. 
Versöhnung ist ein zentrales Thema der Friedens- und Konfliktforschung und eröffnet so interdisziplinäre Zugänge in die gesamte Breite der Geistes- und Sozialwissenschaften.

Vor diesem Hintergrund erforscht das BZV interdisziplinär Kulturen, Narrative, Politiken, Praktiken, Dynamiken, Akteure und Ansätze von Versöhnungsprozessen in unterschiedlichen Kontexten und Epochen. Ziel ist es, einen theoretisch und methodologisch anspruchsvollen Zugang zu den Begriffen und Praktiken der Versöhnung zu entwickeln.

Die Debatten über das postkoloniale Erbe, Erinnerungskulturen, den Umgang mit den Folgen vergangener Massen­gewalt sowie über frühere und gegenwärtige Formen von Sklaverei, zunehmender sozialer Ungleichheit und Radikalisierungsprozessen zeigen die Notwendigkeit sozialwissenschaftlicher und kulturvergleichender Perspektiven, die politische und soziale Prozesse von Versöhnung in den Blick nehmen.

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© BCRS

Zentrale Fragen

Das BVZ geht dabei folgenden Fragestellungen nach:

  • Wie wird Versöhnung in unterschiedlichen Gesellschaften, Kulturen und politischen Kontexten verstanden, und welche Faktoren beeinflussen ihre Bedeutung?
  • Welche Begriffsäquivalente werden in anderen Gesellschaften, Kulturen und Religionen anstelle des christlichen oder des säkularisierten, politischen, ,westlichen‘ Versöhnungsbegriffs verwendet?
  • Welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen begünstigen oder erschweren Versöhnungsprozesse?
  • Welche Rolle spielen staatliche Institutionen, Nichtregierungsorganisationen oder internationale Akteure bei der Förderung von Versöhnung?
  • Wie beeinflussen Machtverhältnisse, Hierarchien und Ungleichheiten zwischen Gruppen die Möglichkeiten oder Grenzen von Versöhnung?
  • Welche sozialen Praktiken, Rituale oder Konfliktlösungsmechanismen werden in unterschiedlichen Gesellschaften eingesetzt um Versöhnung zu fordern?
  • Welche Rolle spielt Gerechtigkeit in Versöhnungsprozessen?
  • Wie, wann und warum wird in unterschiedlichen Kulturen Versöhnung – nach einem Waffenstillstand oder einem ersten öffentlichen Bekenntnis zum Frieden – erreicht? 
  • Wie, wann und warum werden die Begriffe Versöhnung und Frieden in unterschiedlichen politischen, kulturellen und historischen Kontexten aufgegriffen?
  • Wie wirken kollektive Erinnerung, Narrative und Diskurse auf die Bereitschaft zu Versöhnung ein?
  • Welche Bedingungen führen dazu, dass Versöhnungsbemühungen scheitern oder nur teilweise erfolgreich sind?
  • Kann es am Ende von Konflikttransformationsprozessen zu einer dauerhaften Versöhnung kommen?

Alle Fragestellungen werden vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen Versöhnung und Unversöhnlichkeit diskutiert.

Einige Forschungsansätzen entwickeln dabei eine „paternalismus-freie“ Arbeitsdefinition von Versöhnung, die einen Dialog zwischen den Kooperationspartnern und eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungspolitik und Politikberatung ermöglichen soll. Zudem stellt sich die Versöhnungsforschung die kritisch-reflexive Frage nach den sozialwissenschaftlichen, theologischen, philosophischen, theoretischen und politischen Traditionen des Begriffs.  

Die Mitglieder des Zentrums gehen davon aus, dass Versöhnung im Verhältnis zum Begriff des Friedens einen Mehrwert bietet: Während Friedensverträge in der Regel darauf zielen, bewaffnete Konflikte formal zu beenden und die unmittelbare Gewalt zu stoppen, wird Versöhnung häufig als ein wesentlich komplexerer und langwieriger Prozess der Konflikttransformation verstanden, in dem versucht wird, durch Gewalt zerstörte soziale Beziehungen wiederherzustellen. Versöhnungsprozesse verlaufen dabei selten linear und sind von konkurrierenden Begriffen, Vorstellungen, Machtverhältnissen und Erinnerungskulturen geprägt, die sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum aufeinandertreffen.

Im Sinne einer Minimaldefinition gehen die Forscher:innen des BZV zwar davon aus, dass Versöhnung als Transfomation langfristiger Feindseligkeiten zwischen Gruppe (z.B. Nationen) in freie Anerkennungsverhältnisse, die sich durch Vertrauens und Freundschaft auszeichnenhaben“, verstanden werden könnte. Aber was Versöhnung in der Praxis ausmacht, muss fallspezifisch bestimmt werden: Unter Berücksichtigung der jeweiligen historischen, politischen, sozialen und kulturellen Kontexte, in denen Konflikttransformationen in Versöhnungsprozesse überführt werden. Dem BZV geht es also nicht um die Suche nach einer universellen Versöhnungsformel, sondern um die sozialwissenschaftliche Beobachtung und kontinuierlich aktualisierte, interkulturell vergleichende Analyse der gesellschaftlichen Dynamiken, institutionellen Rahmenbedingungen und Bedeutungen von Versöhnung in unterschiedlichen Kontexten. Darum fördert das Zentrum dezidiert eine enge Zusammenarbeit mit einer Vielzahl nationaler und internationaler Kooperationspartner.

Das Zentrum

Im BZV arbeiten mehr als 50 Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen der Sozial-, Geistes- und Textwissenschaften zusammen. Gemeinsam entwickeln sie einen empirisch-fundierten, transkulturellen Begriff von Versöhnung und eine theoretisch anspruchsvolle Analyse von Versöhnungsprozessen.

Die interdisziplinäre Versöhnungsforschung nimmt an der Universität Bonn bereits seit mehreren Jahren einen besonderen Stellenwert ein. Das BZV koordiniert sämtliche Aktivitäten im Bereich der Versöhnungsforschung an der Universität Bonn. Dabei vernetzt es verschiedene universitäre Einrichtungen, darunter:

Darüber hinaus arbeitet das BVZ intensiv mit externen Partnern zusammen, etwa dem  Kulturwissenschaftlichen Institut NRW,  Essen, dem German Institute of Development and Sustainability (IDOS), dem Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC). Hinzukommen als internationale Kooperationspartner unter anderem die DAAD-Zentren in Israel und Japan und das Forschungsinstitut Democracia y Derechos Humanos an der PUCP der Universität Lima.

Eine ausführliche Übersicht über unsere Partner finden Sie auf der Seite Kooperationen.

Das Zentrum wird von Jun. Prof. Dr. Rosario Figari Layus als Sprecherin vertreten. Zum Vorstand des Zentrums gehören darüber hinaus:

  • Prof. Dr. Christine Krüger (Neuere und Neueste Geschichte)
  • Prof. Dr. Stephan Conermann (Islamwissenschaft)
  • Prof. em. Dr. Hans-Georg Soeffner (Soziologie)  
  • Ann-Sophie Vornholz (Anglistik) als Geschäftsführerin

Eine Vorstellung aller Mitglieder und des Vorstands finden Sie hier.

Das Zentrum wird  von vier Fakultäten gefördert: der Evangelisch-Theologischen, der Katholisch-Theologischen, der Rechts-und Staatswissenschaftlichen Fakultät und der Philosophischen Fakultät. Organisatorisch verankert ist das Zentrum in der Philosophischen Fakultät.

Das BZV trägt signifikant zur Profilbildung der Universität Bonn bei und knüpft damit an die Transdisziplinären Forschungsbereiche (TRAs) Individuals and Societies und Present Pasts an, mit denen es eng zusammenarbeitet.

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